Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Neues EuGH-Urteil ermöglicht anlasslose Speicherung von IP-Adressen

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Innenminister Roman Poseck besucht heute die sogenannte Clearingstelle, SO FOKUS bei der Abteilung – Schwere und Organisierte Kriminalität – des Hessischen Landeskriminalamtes, um sich über die Arbeit der Ermittler zu informieren, die Verdachtsfälle von Kinder- und Jugendpornografie auswerten. 

Im Rahmen seines Besuches weist Innenminister Roman Poseck auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. April 2024 hin. Der EuGH hat darin die anlasslose IP-Adressenspeicherung mit sehr klaren Worten erlaubt. Konkret ging es um die Speicherung und den Zugang zu den gespeicherten Daten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen:

„Die jüngste Entscheidung des EuGHs erlaubt unzweideutig die von den Ermittlungsbehörden seit Jahren geforderte Speicherung von IP-Adressen und ihre Nutzung zur Kriminalitätsbekämpfung, und das sogar unabhängig von der Schwere des jeweiligen Delikts. Angesichts der gegenwärtigen Kriminalitätsentwicklung, etwa in den Bereichen des Kindesmissbrauchs, des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität, ist es dringend erforderlich, dass IP-Adressen zur Kriminalitätsbekämpfung auch in Deutschland herangezogen werden dürfen. Wir werden ansonsten auch bei der Bekämpfung von Verbrechen im europäischen Vergleich abgehängt. Die IP-Adresse ist oftmals die einzige Spur, Kriminelle dingfest zu machen. Der EuGH hat in dieser Woche klargestellt, dass auch in Deutschland endlich angemessen und zeitgemäß auf neue Kriminalitätsphänomene und den Kriminalitätsanstieg reagiert werden muss. Moderne und wirkungsvolle Befugnisse sind für die Sicherheitsbehörden heute wichtiger denn je.

Ich erwarte, dass die Bundesregierung dieses Urteil nun endlich zum Anlass nimmt, eine neue gesetzliche Regelung auch für Deutschland zu schaffen, um die Speicherung von IP-Adressen zu erlauben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat bereits die richtigen Signale gesetzt. Die Argumente derjenigen, die sich der Speicherung von Verkehrsdaten im Hinblick auf angebliche rechtliche Unsicherheiten entgegengestellt haben, ist durch die aktuelle EuGH-Entscheidung endgültig der Boden entzogen worden. Wer jetzt nicht handelt, kann sich nur noch auf fehlenden politischen Willen berufen. Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative: Wir müssen den Ball des EuGHs aufnehmen und ein neues Kapitel effektiver Verbrechensbekämpfung aufschlagen. Den Rahmen der jüngsten Rechtsprechung gilt es, im Interesse unserer Sicherheit sinnvoll auszuschöpfen.“

Die Ermittler leisten in der Clearingstelle eine wichtige Arbeit zur Täteridentifizierung und zur weiteren Strafverfolgung.

Roman Poseck Innenminister

Zur konkreten Arbeit in der Clearingstelle erklärt Innenminister Roman Poseck: „Der Kindesmissbrauch gehört zu den schrecklichsten Verbrechen überhaupt. Deshalb ist es so wichtig, alle Anstrengungen bei der Bekämpfung dieser Taten zu unternehmen. Die hessischen Ermittler tun genau das und verfolgen schwerste Fälle von Kindesmissbrauch. In Hessen wurde im Oktober 2020 die Besondere Aufbauorganisation BAO FOKUS gegründet, um die Ermittlungen gegen Sexualstraftäter zu intensivieren und konsequenter voranzutreiben. Ein entscheidender Teil der BAO FOKUS ist die in Mühlheim angesiedelte Clearingstelle. An diese werden durch die US-amerikanische Organisation NCMEC Verdachtsfälle von Kinder- und Jugendpornografie und des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Jugendlichen weitergleitet. Auch die „Zentrale Meldestelle für Internetkriminalität“ leitet Verdachtsfälle zur weiteren Verarbeitung hierhin weiter. In der Clearingstelle werten die Ermittler diese Daten aus. Wenn die Identifizierung der Tatverdächtigen erfolgreich ist, werden die Akten mit einem Ermittlungsbericht an die zuständige Staatsanwaltschaft übergeben.

Die Ermittler leisten in der Clearingstelle zentrale Arbeit zur Täteridentifizierung und zur weiteren Strafverfolgung. Ziel ist es vor allem auch, das Leid andauernder Missbrauchshandlungen zu beenden. Die Täter, die ihr kriminelles Handeln auf die Schwächsten unserer Gesellschaft richten, verletzen diese auf unvorstellbare Weise. Allein im vergangenen Jahr ist es den hartnäckigen Ermittlern gelungen, über 1.000 Beschuldigte festzunehmen.

Da die Bekämpfung des Kindesmissbrauchs so wichtig ist, wurde die BAO FOKUS im Februar in eine Regelorganisation in allen Flächenpräsidien überführt. So gewährleisten wir auch vor Ort schlagkräftige Ermittlungseinheiten. Die BAO FOKUS hat über drei Jahre Herausragendes geleistet – trotz schwieriger und psychisch sehr belastbaren Bedingungen. Daher war es eine wichtige Entscheidung, die Ermittler der BAO FOKUS im vergangenen Jahr mit einer Zulage in Höhe von 300 Euro monatlich für ihre schwierige Tätigkeit auszustatten. Damit erfährt die Arbeit der Ermittler Anerkennung und Wertschätzung. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Ermittlern und Mitarbeitern für ihren unerlässlichen Einsatz im Kampf gegen Kindesmissbrauch bedanken.“

Hintergrund:

Die FOKUS (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern) nahm im Oktober 2020, u.a. aufgrund stetig wachsender Fallzahlen, zunächst als Besondere Aufbauorganisation (BAO) ihre Arbeit auf. Die BAO-Struktur wurde insbesondere dafür genutzt, vorhandene Strukturen zu prüfen, auszubauen und zu verbessern. So war eine bessere Themenbündelung mit einem stetigen, standardisierten Informationsfluss möglich, was zu einer optimierten Vernetzung zwischen den sieben Polizeipräsidien und dem HLKA führte. Durch diese Themenbündelung konnten Expertisen sowohl im Bereich der Ermittlungen und der Auswertung als auch im Gefährdermanagement Sexualtäter etabliert werden. Darüber hinaus wurden für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gemeinsam mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Standards erarbeitet und festgelegt. Verfügbares Personal konnte bei der Abarbeitung von Verfahren bei Bedarf direkt dem HLKA unterstellt werden.

Seit Februar 2024 ist die FOKUS nun fester Bestandteil der Regelorganisation der sieben hessischen Polizeipräsidien und des Hessischen Landeskriminalamts (HLKA). Das HLKA nimmt in der Regelorganisation die Zentralstellenfunktion der FOKUS, ähnlich anderer Deliktsbereiche, wahr. In den Polizeipräsidien wurden die BAO-Strukturen in neue Dienststellen überführt. Dies ermöglicht die Weiterführung der bisher sehr erfolgreichen Arbeit der BAO in fest etablierten Organisationsstrukturen.

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